Mutter sein ist wie gärtnern

Meine Psychologin hat mir einmal gesagt, dass ich meine eigenen Erfahrungen nicht auf die meiner Kinder übertragen soll. Selbst als mir während der Schwangerschaft eine Frühgeburt drohte, beruhigte mich die Hebamme mit den Worten: “Ihr Kind hat seinen eigenen Weg, für den Sie nicht die volle Verantwortung tragen können. Vertrauen Sie Ihrem Kind.” Diese Worte sind tief in meinem Gedächtnis verankert und kommen immer wieder zum Vorschein, wenn ich sie brauche. Dennoch fühle ich mich oft hin- und hergerissen zwischen Vertrauen und Kontrolle, wie ein Tennisball, der ständig hin und her geworfen wird.

Ich vertraue darauf, dass meine Kinder, wie auch ich und alle anderen Lebewesen auf diesem Planeten, ihren eigenen Plan haben. Ein Plan, der aus Schicksal, einem vorgezeichneten Muster und dem eigenen Willen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, besteht. Doch meine Neigung zur Kontrolle ist etwas stärker, geprägt durch das lebenslange Aufrechterhalten einer Maske, die im Grunde eine Rüstung gegen jegliche Verletzungen darstellt. Es ist wahrscheinlich normal, sich im Laufe der Zeit eine solche Schutzschicht zuzulegen, denn vor bestimmten Erfahrungen muss man sich schützen, da sie wiederholt krank machen können. Andere hingegen helfen mir, mich weiterzuentwickeln.

Ich beobachte, wie ich versuche, meinen Kindern diese Rüstung anzulegen, um sie vor den zehrenden Gefühlen der Enttäuschung, Trauer und Wut zu bewahren. Dabei vergesse ich, dass diese Gefühle zum Leben dazugehören und es wichtig ist, sie zu regulieren und für sie einzustehen. Diese Gefühle sind essentiell, denn sie verbinden uns mit unserer Seele und führen uns zum Kern unseres Seins.

Doch was, wenn das Einstehen für diese Gefühle meine größte Herausforderung ist? Wie letztens, als mein Kind erneut spürte, wie es ist, wegen seiner Hautfarbe beleidigt zu werden? Wie es ist, für jemanden weniger wichtig zu sein, als dieser Mensch für mein Kind ist? Beim Zusehen und Mitfühlen brannte es unter meiner Rüstung so stark, dass ich sie ablegen und meinem Kind um das junge Herz legen wollte. Es war vermutlich einer dieser Momente, in denen ich mich in meinem Kind sah und die Grenzen zwischen uns ausfranste. In solchen Momenten bin ich dankbar für die Menschen in meinem Leben, die mich aufrütteln und sagen: „Stopp! Tritt einen Schritt zurück, atme ein und aus und sei einfach da für dein Kind. Und für dich. Alles andere regeln wir Schritt für Schritt.“

Es braucht Mut, loszulassen und nur die Begleitung zu sein, die auffängt und stützt, wertefrei – wann auch immer es nötig ist. Und es braucht Kraft, sich zuerst selbst von einer stärkenden Person begleiten zu lassen. Denn wie sollen wir wissen, wie wir unsere Kinder unterstützen können, wenn wir selbst niemanden haben, der uns an die Hand nimmt? Ist es nicht das Menschlichste der Welt, das Abenteuer Leben gemeinsam zu bestreiten, statt allein? Ich kann nicht jedes Problem allein lösen, und so kann es auch nicht mein Kind. Aber dazu muss ich es zuerst zulassen. Mich langsam herantasten an die Möglichkeiten, die sich mir bieten, sobald ich Hilfe annehme und mich öffne für Unterstützung.

Das Bewusstsein, nicht für alles verantwortlich zu sein und nicht alle Probleme allein lösen zu müssen, wirkt beruhigend. Es mindert den inneren Druck, den fast jede Mutter kennt: alles noch besser machen zu wollen. Wann begannen wir Mütter zu glauben, dass wir sämtlichen Erwartungen gerecht werden müssen? Als ob wir Frauen dazu bestimmt wären, in jedem Lebensbereich fehlerfrei zu sein. Bedauerlicherweise sind es oft wir selbst, die sich die höchsten Erwartungen auferlegen.

Warum sind wir so streng mit uns selbst?

Erwartungen sind generationsübergreifend und werden, sofern sie sich kulturell und gesellschaftlich nicht verschieben, stets weitergegeben. In meiner eigenen Kindheit sehe ich meine Großmutter, die in meinen Augen eine gesunde, intakte Beziehung führte, ein traditionelles Eheleben pflegte und nach den Regeln der konventionellen Kindererziehung handelte. Meine Mutter hingegen brach mit diesem Familienbild und war alleinerziehend. Trotzdem versuchte sie, die Messlatte hoch zu halten und ihre Stärke zu beweisen. Sie wirkte auf mich unerschütterlich und unfehlbar, was meine eigenen Erwartungen stark beeinflusste. Doch nicht nur die mütterliche Seite meiner Ahnenlinie prägte mein Selbstbild, sondern auch die gesellschaftlichen Ansprüche an mich und allgemein an Frauen, die einen erheblichen Einfluss haben. Letztendlich wollen wir alle irgendwo dazugehören und anerkannt werden, und dafür wird die eigene Authentizität leider manchmal hinter einer Maske versteckt.

Um den eigenen Perfektionismus abzulegen, muss man zuerst die Unvollkommenheit der anderen akzeptieren. Solange wir selbst noch mit dem Zeigefinger auf andere zeigen, werden die gesellschaftlichen Erwartungen an uns und durch uns Mütter und Frauen gleich bleiben. Ich möchte daher im Alltag achtsam sein, meine Empfindungen umarmen, Mitgefühl für mich und andere kultivieren, offen und neugierig sein, hinfallen und wieder aufstehen. Ich möchte Grenzen setzen, wo es nötig ist, und Grenzen öffnen, wo inneres Wachstum möglich ist. Ich möchte zulassen, heranlassen, mir Raum geben, scheitern und Fehler machen. Und ich möchte vertrauen – meinem eigenen Weg und dem meiner Kinder. Sie wie die nährstoffreiche Erde einer Pflanze immer wieder wässern und düngen, manchmal den Standort wechseln und beobachten, worin sie am besten gedeihen. Aber wachsen werden sie von selbst.

Der Albtraum der Realität

Ich glaube, wir alle hatten ihn schon einmal: diesen dystopischen Traum, aus dem man verzweifelt erwachen möchte, aber es gelingt einfach nicht. Gefangen in einer verworrenen Geschichte, gejagt von etwas Unheimlichem, stürzt man vielleicht in eine tiefe Schlucht und weiß nicht, wo die Reise endet. Beim Erwachen bleibt das Unbehagen in den Gliedern, die Gedanken hallen noch nach. Zum Glück war es nur ein Traum, sagt man sich. Der Tag beginnt, und langsam tritt die Geschichte in den Hintergrund.

Doch was, wenn dieser Traum zur Realität würde? Wenn das Leben sich anfühlen würde wie eine dieser unangenehmen Nächte voller Schlafparalyse und Albträume?

So erscheint mir die Welt derzeit. Tag für Tag sehe ich in den sozialen Medien Bilder des Entsetzens, deren Existenz ich mir noch vor nicht allzu langer Zeit nicht eingestehen wollte. Sie erinnern an die unheimlichen Geschichten, die einem die Nachbarin früher erzählte, während man mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an ihren Lippen hing, nur um sich im nächsten Moment einzureden, dass so etwas so selten geschieht und sicherlich nur in weiter Ferne. Also eigentlich kaum der Rede wert. Und vielleicht waren sie früher nicht erwähnenswert, weil wir sie nicht in Echtzeit erlebten – anders als heute. Die Welt schrumpft und verdichtet sich, die Grenzen werden von einigen hemmungslos überschritten, während sie für andere unüberwindlich erscheinen.

Doch jetzt? Jetzt sind diese Albträume und unheimlichen Geschichten nur einen Wimpernschlag entfernt. Aber das ist noch nicht einmal das Schlimmste: Das Schlimmste ist das Fehlen der Anerkennung. Es gibt Zeugen des Grauens, aber keine Verurteilung für ebendieses. Es ist ein Hämmern gegen eine Mauer, die nur Wunden bei denen hinterlässt, die versuchen, sie zu durchbrechen.

Es ist wie eine Achterbahnfahrt, nur dass es bei einer Achterbahn auf und ab geht. Bei dieser Fahrt jedoch stürzt der Wagen mit voller Wucht in den dunklen Tunnel – ohne die Gewissheit des Wiederaufstiegs.

Alles, was ich tun kann, ist atmen. Ein- und ausatmen. Die Hand aufs Herz legen. Trauern. Beten. Hoffen.

Alles, was ich tue, ist an jene zu denken, die nicht mehr atmen können.

Und alles was ich mir wünsche, ist, dass die Menschlichkeit heute wieder bedeuten würde, das Herz zu öffnen. Wenn dieses pumpende Ding zwischen den Rippen frei wäre von Geld-und Machtstreben, könnte die Welt eine Bessere sein.

Emotionen, Gefühle und ich

Vor einigen Tagen erlebte ich eine faszinierende Diskussionsrunde über Emotionen und den Schutz unserer Gefühle. Es war ein freimütiger Austausch in einer intimen Frauengruppe – locker, unverstellt und belebend.

Was uns in dieser Runde vereinte, war die Erkenntnis, dass wir alle Momente erleben, in denen Emotionen uns übermannen. Wie ein unerwarteter Tsunami brechen sie manchmal aus der trügerischen Ruhe hervor und überfluten uns mit ihrer gewaltigen Kraft. Zurück bleibt oft eine tiefe Erschöpfung, die Tage anhalten kann.

Vielleicht ist es gerade dieses Nachbeben, diese Unfähigkeit, sich den Gefühlen hinzugeben, die die emotionale Achterbahn so zermürbend macht. In überwältigenden Momenten fühle ich mich wie berauscht. Es ist, als würde ich von kleinen Wesen durch das Geschehen getragen, die mein Innerstes kurz erschüttern. Zurück bleiben ein Gedankenkarussell, die Nachwirkungen, die Erschöpfung.

Wozu dieses Gefühlsgewusel?

Emotionen sind von wesentlicher Bedeutung, um das Leben richtig einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren. Sie leiten uns an, die beste Entscheidung für unser Wohlergehen zu treffen und verschaffen uns Orientierung. Ekel kann ein Hinweis darauf sein, dass ein Lebensmittel verdorben ist und uns krank machen könnte. Angst signalisiert eine drohende Gefahr und aktiviert unser limbisches System. Wut empfinden wir meistens dann, wenn wir etwas als ungerecht einstufen. Obwohl unser Gehirn kontinuierlich Gefühle produziert, werden wir uns dieser erst klar, wenn sie in unser Bewusstsein treten. Emotionen äußern sich nicht nur subjektiv, sondern auch physisch – ein erhöhter Blutdruck und Hitzegefühl können uns zu notwendigen Handlungen antreiben. Stellen wir uns zum Beispiel einem Löwen gegenüber, könnten wir zunächst erstarren – zumindest stelle ich es mir so vor –, was dazu führen könnte, dass der Löwe uns in Ruhe lässt. Adrenalin versetzt uns in die Lage, in extremen Situationen schnell zu reagieren.

Positive Emotionen wie Liebe sind essenziell für Vertrauen. Ohne sie fehlt die Basis für Bindungen, sei es, um eine Familie zu gründen oder sich um ein Haustier zu kümmern. Vieles kann in der Atmosphäre der Liebe gedeihen, zum Beispiel ein Dschungel in der Wohnung – aber das ist wieder ein anderes Thema…

Eine Mauer für die Gefühle

Wenn Emotionen wiederholt stark auftreten und ich sie nicht genau benennen oder verarbeiten kann, fühlt es sich an, als würden sie Risse hinterlassen – eine leichte Verletzung. Es ist vergleichbar mit einem abgetragenen Turnschuh, der seine Widerstandsfähigkeit verloren hat und bei dem die nackten Füße bereits den Boden berühren. Menschen, die ständigem Stress ausgesetzt sind, entwickeln irgendwann eine gewisse Abgestumpftheit, als hätten sie eine Mauer um ihre Gefühle errichtet. Manchen fällt dieses Schützen leichter, während andere damit kämpfen. Besonders sensible Personen empfinden bestimmte Situationen als sehr belastend.

Kann ich meine Gefühle schützen? Meistens nicht oder nur bedingt. Es sei denn, ich ziehe mich in meine eigenen vier Wände zurück – meinen persönlichen Schutzraum – oder ich meide Menschen und riskante Situationen. Aber sobald ich mich der Welt öffne – hallo –, reagiert mein limbisches System heftig. Das kann manchmal echt anstrengend sein. Wenig erstaunlich, dass ich oft emotional erschöpft bin, besonders wenn der Alltag einige schwierige Momente mit sich bringt, da bin ich wieder beim Thema des abgetragenen Schuhs…

Ein weiterer Weg, wie ich mit Emotionen umgehe, sieht zum Beispiel so aus:

Emotionen regulieren

Wenn mich etwas tief traurig oder wütend macht, habe ich mich schon öfter dabei ertappt, dass ich in diesen Gefühlen verweilen möchte. Es erfordert einen enormen Kraftakt, wenn es keine Gelegenheit dazu gibt. Ich mag es nicht, mich zusammenzureißen. Am liebsten betrachte ich die Bilder, die mich traurig machen, bewusst, um den Schmerz zu spüren. Bei wehmütigen Gefühlen, sei es wegen eines Menschen, eines Ortes oder einer Lebensphase, höre ich gerne Musik, die diese Erinnerungen verstärkt.

Vor kurzem unterzog ich mich einem Duft-Kommunikationstest bei einer Aromatherapeutin. Sie präsentierte mir verschiedene Düfte, die Erinnerungen und Emotionen wecken sollten, um eine Duftmischung zu kreieren, die mich in emotional herausfordernden Zeiten unterstützt. Schließlich fand ich mich gedanklich auf einer Bergtour mit meinem verstorbenen Großvater wieder und musste einige Tränen vergießen. Es schien, als würde mein limbisches System durch die Düfte angenehme Erinnerungen auslösen.

Somit habe ich also einen neuen Begleiter, nebst der Musik entdeckt, der mich in meiner Emotionalität begleitet.

Kein Platz für grosse Gefühle

So viel zum Thema Selbstregulation und dem Hingeben an Gefühle. Die Theorie mag schön klingen, aber die Umsetzung gestaltet sich oft schwierig. Als Mutter finde ich es in den meisten Fällen unmöglich, mich meinen Emotionen völlig hinzugeben. Oft spüre ich, wie die Hitze in mir aufsteigt, ein Kloß im Hals stecken bleibt oder es im Magen kribbelt, wenn mich ein beklemmendes Gefühl überkommt. Nervös drücke ich diese Empfindungen weg, weil ich unbewusst weiß, dass ich keine Zeit für sie habe. Wenn dann meine Tochter schlechte Laune hat und mein Sohn in genau diesen Momenten einen Erzählungsdrang verspürt, atme ich die Druckstellen in mir mühsam weg und setze für meine Kinder mein schönstes Lächeln auf. Schließlich möchte ich für sie da sein, ihr Anker. Doch die großen Gefühle lassen sich nur begrenzt aufhalten. Je länger ich versuche, die Tür zuzuhalten, desto stärker drücken sie dagegen, bis sie mit geballter Kraft die Tür aufstoßen und sich in Form von Reizüberflutung, Erschöpfung oder Wutausbrüchen zeigen. Gereizte Kinder, eine gestresste Mutter und Frust sind die Folge – und oft noch mehr belastende Emotionen.

Es müsste ein Umdenken stattfinden

Um nicht zum abgenutzten Schuh zu werden, der kaum reparabel ist, sind Emotionsregulationen äußerst wichtig. Aber wie können wir in einer Gesellschaft, in der psychisches und physisches Wohlbefinden nachrangig sind, Orte der Erholung schaffen? Wie ist es möglich, in einer Kultur, die menschliche Gefühle ständig für Leistungsdruck beiseite schiebt, diesen gerecht zu werden?

In einer Zivilisation, in der selbst Kinder lernen müssen, ihre Gefühle zu unterdrücken, wird es fast zu einem rebellischen Akt, sich Pausen zu gönnen, hemmungslos zu weinen oder laut gegen Ungerechtigkeit zu protestieren. Es erfordert Mut, mit einem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck zum Elternabend zu gehen und Smalltalk zu meiden, weil man in seiner Traurigkeit verharren möchte. Und wer trifft sich schon gerne mit einer wütenden Freundin? Es sollte normal sein, dass wir alle mit einer vielfältigen Palette von Emotionen ausgestattet sind, die sich täglich ausdrücken möchte.

Gefühle brauchen viel Platz und dieser Platz fehlt in unserer Welt.

Ich habe beschlossen, nicht mehr vorzugeben, stark zu sein. Denn in Wahrheit bin ich es nicht, wenn täglich unzählige Verpflichtungen, erschütternde Bilder aus aller Welt und Sorgen auf mich einprasseln. Ich will mich entscheiden, Schritt für Schritt auf dieses Wunder namens Hirnrinde zu vertrauen, die mir zeigt, dass die Emotionen, die sich täglich melden, wichtige Botschaften für mich haben. Ich will jedes Mal, wenn ich spüre, dass ich meine Gefühle wieder einmal abweise, innehalten und sie willkommen heißen. Manchmal nur stückweise, weil es manchmal einfach nicht anders geht. Ich will achtsam und verständnisvoll mit den emotionalen Besuchern umgehen, die immer wieder unerwartet auftauchen.

Vielleicht ist es utopisch zu hoffen, dass mentale und emotionale Gesundheit in der Gesellschaft irgendwann wichtiger genommen werden als das Wirtschaftswachstum. Aber früher oder später werden die aufgestauten Gefühle einer ganzen Gesellschaft gegen eine Tür drücken, die zu brechen droht, wenn wir sie nicht endlich öffnen.

Wir müssen nicht alles alleine bewältigen. Das Thema Gefühle und Emotionen lässt sich trotz aller Ratgeber und selbst erworbenem Wissen nicht immer allein meistern. Deshalb halte ich es für unglaublich wichtig, sich Hilfe zu suchen, wenn man sie braucht. Ich bringe meine Gefühle regelmäßig in Therapiesitzungen ein. Es fühlt sich an, als würde mein abgetragener Schuh bei jedem Besuch ein wenig geflickt. Ich glaube, wir alle sollten uns mehr verbinden und teilen, was uns am Herzen liegt. Es ist wichtig, dass Emotionalität in der Gesellschaft mehr Bedeutung bekommt, denn ich bin überzeugt, dass die Welt besser wäre, wenn das der Fall wäre.

Ein paar Informationen aus diesem Text entstammen aus folgendem Link (auch interessant für diejenigen die noch tiefer in das Thema „Emotionen“ eintauchen möchten):

Was ist Emotion? Von Mimik bis Hormon (dasgehirn.info)

Wirksame Übungen für emotional herausfordernde Momente gibt es unter anderem hier:

Beruhigen Sie überwältigende Emotionen – Der Emotionskompass (emotioncompass.org)

Die Kinder dazwischen

Ein sanfter Wind kitzelt meine Wangen. Ein paar Meter entfernt telefoniert eine Frau auf Italienisch. Jemand aus der Nachbarschaft hat das Fenster geöffnet und hört eine Radiosendung. Ich sitze auf dem Balkon und lächle die Pflanzen an, die mich umgeben. Der Feigenbaum ist schon so gewachsen, dass er sein eigenes Gewicht nicht mehr tragen kann. Ich bin dankbar und fühle mich wohl in meinen eigenen vier Wänden, hier in meinem kleinen Dschungel. Es sind diese stillen, aber doch geräuschvollen Momente, die mich erden. Gleichzeitig sind es diese Augenblicke, die mich nachdenklich stimmen und die großen Fragen an mich und mein Leben richten. Dann, wenn ich einen kleinen Moment im Hier und Jetzt ankomme, tauchen sie auf:

Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Wohin gehöre ich?

Im Grunde bin ich ziemlich müde, mir diese Fragen immer wieder zu stellen. Tue ich schon nichts anderes mein ganzes Leben lang. Früher glaubte ich noch, ich würde die Antwort irgendwann finden. Ich dachte, ich würde mir nur einbilden, mich nie wirklich daheim zu fühlen. Mit allen Mitteln versuchte ich immer wieder dieses Gefühl loszuwerden, fehl am Platz zu sein. Es ist nicht mehr so wie früher, damals, als Kind, als ich noch herausstach mit meinen Haaren, die sich in den Händen wie Wolle anfühlten. Nein, ganz bestimmt ist es heute nicht mehr so, wenn um mich herum Frauen mit Kopftüchern ihre Kinderwagen herumschieben, oder ich Sonntags im türkischen Laden das Frühstück hole. Es ist bunt um mich herum, alles darf sein, nichts muss. So suggeriert es mir das Internet und die Regenbogenflagge an der Hausmauer nebenan.

Eine trügerische Fassade

Trotz der menschlichen Diversität verblasst meine Sehnsucht nach einem Heimatgefühl nicht. Die vermeintliche Vielfalt scheint mich zu täuschen. Hinter ihrem schönen Äußeren verbirgt sich eine düstere Realität. Die Gesellschaft ist noch nicht so weit. Die Welt zögert noch, ihre Arme für alle auszubreiten. Sie ist immer noch im Ungleichgewicht. Für die einen ist es leicht einen gut bezahlten Job zu finden, die anderen scheitern an ihrer Herkunft oder ihrer Persönlichkeit daran. Die Furcht vor dem Unbekannten verkleidet sich in subtilem Rassismus. Nicht jedem wird den gleichen Wert beigemessen.

Und ich befinde mich dazwischen, aus Gegensätzen geformt. Irgendwo in der wachsenden Kluft finde ich mich wieder, klammere mich an den scharfen Rändern fest. Vielleicht ist es gerade diese Grauzone, die mich heimatlos fühlen lässt. Einige meiner Vorfahren waren unterdrückt, während andere im Spiel des Lebens dominierten. Ein fortwährender Konflikt, der in meinem Inneren widerhallt. Ein Kind aus Öl und Wasser.

In mir lebt ein Widerspruch, der mich ständig meine Rolle in dieser Gesellschaft hinterfragen lässt. Ich trage nicht die Erfahrungen jener in mir, die ihre Heimatländer verlassen mussten, um in der Schweiz ein besseres Leben zu finden. Geboren und aufgewachsen hier, beherrsche ich die Sprache und kenne die kulturellen Normen. Dennoch verberge ich einen Teil meiner Identität, der seine Wurzeln in einem anderen Land hat, aus Angst, von der Gesellschaft nicht vollständig akzeptiert zu werden. Ich könnte der Gesellschaft die Schuld geben, aber was ist die Gesellschaft? Sie setzt sich aus verschiedenen Gruppen zusammen, die eine gemeinsame Geschichte teilen und sich in ihrer Kultur wiederfinden, besonders wenn sie sich von anderen Gruppen ausgeschlossen oder bedroht fühlen. Dann gibt es uns, die Gemischten, die weder weiß noch schwarz sind, aber auch diejenigen zweiter Generation, deren Eltern einst Migranten waren. Wir beobachten, verstehen beide Perspektiven und erkennen die Fehler auf beiden Seiten. Ständig sind wir auf der Suche nach unserem Platz, nur um zu erkennen, dass es diesen Platz vielleicht gar nicht gibt.

Nur hier, zu Hause, wo Stille und Geräusche aufeinandertreffen, bin ich wirklich ich. Hier habe ich mir meinen eigenen Ort aus den Puzzleteilen der Gegensätze erschaffen. Hier vermischen sich Öl und Wasser, als wäre kein Emulgator nötig. An diesem Ort wird mir bewusst, dass wir, die Kinder dazwischen, das Ergebnis eines Versuchs sind, die Welt zu vereinen. Solange es der Weltbevölkerung jedoch nicht gelingt, einander die Hände zu reichen, werden wir, die Kinder dazwischen, stets nach unserem Platz suchen.

Glücklichsein in harten Zeiten

Wie geht das Glücklichsein? Und was ist Glück? Kann man in der schwierigsten Zeit seines Lebens Glück empfinden?

Die schwierigste Zeit im Leben ist individuell. Für die einen bedeutet es, unter erschwerten Bedingungen zu leben, während es für andere eine Jobabsage ist. Manche erleben den Verlust eines geliebten Menschen, andere eine schockierende Diagnose. Auch ich habe schon einige Male schwierige Momente durchlebt, in denen ich dachte: ‘Jetzt geht es nicht mehr weiter.’ Wohl niemand erlebt nur gute Zeiten. Doch habe ich damals Glück empfunden? Und empfinde ich es jetzt auch, wenn ich mal wieder durch meinen Instagram-Feed scrolle und die unsagbar schrecklichen Bilder von Kindern in Kriegsgebieten sehe, die ihre Gliedmaßen verloren haben? Oder wenn sich meine finanziellen Ressourcen wieder einmal verdünnt haben? Oder wenn ich mich durch den Alltag kämpfe, schwindelig von schlaflosen Nächten, in denen mir als Mutter die Sorgen das Gehirn vernebeln?

Ja, ich kann selbst in harten Zeiten Glück empfinden. Dazu habe ich eine persönliche Formel, die ich gerne mit dir teilen möchte. Natürlich kann ich nicht versprechen, dass sie auch für dich funktioniert, aber ein Versuch ist es wert.

Verbinde dich mit der Welt

Schon als Kind habe ich gelernt, mich mit dem Schicksal anderer Menschen zu befassen – eine Lektion, für die ich dankbar bin. In unserer heutigen Zeit ist Selfcare zu einem Modebegriff geworden, vergleichbar mit dem täglichen Zähneputzen. Ich schätze diese Entwicklung, finde aber, dass Selfcare und Egoismus nicht verwechselt werden sollten. Laut einer Harvard-Studie (Quelle: ‘Was macht glücklich? Harvard-Forscher veröffentlichen neue Studie’ auf FOCUS Online) sind soziale Kontakte entscheidend für unser Glücksempfinden. Ich möchte aber weitergehen und behaupte , dass nicht nur die Kontakte im unmittelbaren Umfeld wertvoll sind, sondern auch jene darüber hinaus.

Das Geben und Nehmen in zwischenmenschlichen Beziehungen trägt zur Sinnhaftigkeit des Lebens bei. Besonders stark empfinde ich dies, wenn ich anderen etwas geben kann, das ihnen fehlt. Zum Beispiel: In Phasen meines Lebens, in denen ich nicht weiss, wie es weitergehen soll, scheint sich die Welt ohne mich weiterzudrehen. Ich brauche die Zeit, mich in mein Schneckenloch zurückzuziehen, keine Frage. Doch dann beginne ich, mich mit dem Leid anderer Menschen zu beschäftigen. In Büchern, Filmen und den Geschichten von Menschen aus Ländern mit geringerer Lebensqualität als hierzulande erfahre ich, wie stark sie sind. Diese Erkenntnis schärft mein Bewusstsein für meine eigene Resilienz.

Als privilegierte Schweizerin versuche ich, meine Position zu nutzen, um auf das Leid anderer aufmerksam zu machen oder etwas zu geben, das jemand anderes nicht hat – sei es ein offenes Ohr oder eine helfende Hand. Dadurch fühle ich mich als Teil des Ganzen und empfinde Glücksgefühle. Ein weiteres Beispiel: Als alleinerziehende Mutter mit begrenzten finanziellen Ressourcen und gesundheitlichen Herausforderungen neige ich dazu, mich mit besser gestellten Menschen zu vergleichen. Doch wenn ich mich mit Gleichgesinnten verbinde, wird das geteilte Leid halbiert. Gemeinsam können wir uns über die kleinen Hindernisse im Leben amüsieren und das Gewicht des Alltags leichter tragen.

Fazit: Suche den Kontakt zu sozial schwächer Gestellten – oft zeigen sie dir deine eigenen Privilegien noch deutlicher auf und verfestigen deine innere Stärke. Wenn du dich über deine eigene Bubble hinaus verbindest, gewinnt dein Leben an Sinnhaftigkeit und Glücksgefühle werden gefördert. Triff mehr Menschen, die ähnliche Probleme haben, und erlebt gemeinsam, wie Schwierigkeiten leichter zu bewältigen sind.

Lasse Kunst in dein Leben

Angenommen, du hattest eine wirklich deprimierende Woche. Deine Kinder waren schlecht gelaunt oder haben schlimme Dinge erlebt, die dir Bauchschmerzen bereiten. Kein Wunder, dass du schlaflose Nächte hast und dich irgendwie durch den Alltag kämpfst. Aber es gibt etwas, das tiefe Glücksgefühle auslösen kann: Kunst.

Jetzt denkst du vielleicht, Kunst interessiert dich nicht. Doch ich verrate dir etwas: Kunst ist alles, was erschaffen wird – ein Zusammenspiel von Wissen, Tätigkeit, Vorstellung und Intuition. Für mich beschreibt dieser Begriff das Leben selbst. Sogar um zehn Uhr abends kannst du künstlerisch sein und dir ein paar Schmetterlinge herbeizaubern. Du musst nicht gleich Picasso werden. Ich empfinde es schon als künstlerisch, ein paar Kerzen hübsch nebeneinander zu platzieren und im warmen Licht ihrer Flamme Trost zu finden. Klingt komisch? Mag sein. Aber du glaubst nicht, wie sehr es in mir Glücksgefühle auslöst, wenn ich etwas gestaltet habe – sei es nur einen Blumenstrauß in einer hübschen Vase ästhetisch im Wohnzimmer oder einen Kuchen, den ich vielleicht noch mit leckeren Beeren dekoriere.

Kunst ist auch, wenn du Musik machst oder Musik hörst, die dir schöne Gefühle bereitet. Sie wurde aus dem Herzen erschaffen von jemandem, der dein Herz damit erreichen möchte. Fazit: Kunst entsteht aus der Tiefe, berührt die Seele und das Herz – und trägt definitiv zu mehr Glücksgefühlen bei, selbst in harten Zeiten.

Kaufe dir eine Pflanze, oder gehe in den Wald

Nahezu aus jeder Ecke meiner Wohnung leuchtet es grün und saftig. Es fehlen nur noch Tukane und Schmetterlinge, dann könnte meine Wohnung – wenn meine Pflanzensucht so weitergeht – dem Papiliorama bald Konkurrenz machen. Das sieht nicht nur hübsch aus, sondern nährt auch meine Seele, wenn mich zu Hause Monstera, Glücksfeder und Efeutute umarmen. An Tagen, an denen die Sonne nicht scheint, gehe ich durch den Raum und füttere meine grünen Mitbewohner. Hier und da streckt ein hellgrünes Babyblatt sein Köpfchen aus dem Topf – neues Leben wurde geboren. Ich kann nicht leugnen, dass das ein Glücksgefühl hervorruft.

Auf www.botanicly.com findest du mehr Inhalte über Pflanzen und ihre stressreduzierende Wirkung auf Menschen. In einer japanischen Studie wurde festgestellt, dass Student*innen entspannter arbeiten konnten, wenn Pflanzen im Raum vorhanden waren. Und wenn du keinen grünen Daumen hast, ist das kein Problem – der Wald hilft auch. Im Wald begegnest du auf heilsame Weise dem Leben, das mit aller Ruhe dem Zyklus der Natur folgt. Alte Blätter werden abgestoßen, während neue sprießen. Der ewige Kreislauf des Lebens spiegelt sich in diesem friedlichen Raum wider. Du wirst daran erinnert, dass auch dein Leben einem Zyklus folgt, zu dem sowohl Verabschiedung als auch Neugeburt gehören. Der Wald schaltet unseren Geist auf Empfang für das Sanfte in ihm und lässt ihn zur Ruhe kommen.

Fazit: Pflanzen aller Art beruhigen unseren Geist und nähren die Seele. Wenn das Leben hart zu uns ist, können Pflanzen Wegweiser sein, um uns des ewigen Kreislaufs bewusst zu werden. Sie verbinden uns mit der Natur und verleihen uns das Gefühl von Boden unter den Füßen.

„Lies Bücher und schaue gute Filme“

Bücher sind die besten Fluchtmittel, um dem schwierigen Alltag zu entkommen. Guten Filmen messe ich ähnliche Wirkung bei (das Eintauchen in Bücher wirkt, zumindest auf mich, jedoch intensiver). Geschichten entführen uns in fremde Welten und lassen unsere Gedanken zur Ruhe kommen. Sie erzeugen Bilder im Kopf, die dem Unterbewusstsein eine Realität aufzeigen. Wenn diese Bilder angenehm sind und Trost spenden, unterscheidet das Unterbewusstsein nicht zwischen echt und unecht. Die Wirkung auf Körper und Seele ist tatsächlich dieselbe.

In schwierigen Momenten entscheidet meine Intuition darüber, was ich konsumieren möchte. Meistens sind es keine Komödien, sondern berührende Geschichten. Mir hilft es dem Prozess zu folgen, der die Protagonistin oder der Protagonist durchlebt. Ich fühle mich dadurch getragen, gewinne Erkenntnisse für mein Leben und freue mich über kleine Erfolge der Figuren.

Fazit: Bücher und Filme ermöglichen uns, in andere Realitäten zu reisen und dort vielleicht ein Glücksgefühl zu finden. Und wenn es nicht Glück ist, dann zumindest ein bisschen Trost in den harten Tagen.


“Unternimm eine kleine Reise zurück in die Kindheit”

Wenn ich die weniger schönen Zeiten meiner Kindheit ausblende, erinnere ich mich an glückerfüllte Momente. Kürzlich sah ich auf meinem Instagram-Feed eine Zusammenfassung der Besitztümer von Kindern aus den 90er Jahren. Beim Betrachten der alten Diddl-Maus-Sammlung einer unbekannten Person schwelgte ich für einen Augenblick in den Erinnerungen meines neunjährigen Ichs. Ein seltsam vertrautes Glücksgefühl, dessen Existenz mir zuvor nicht bewusst war. Ich habe zwar keine Diddl-Maus-Papierbögen besorgt im Anschluss, aber ich verweile gerne in dieser inneren Faszination der Diddl-Maus-Zeit (warum Diddl? Ist mir ein Rätsel …). Das Einzige, was ich aus dieser Zeit noch mit vollster Überzeugung in mein Leben integriere, sind die Gerichte, Düfte und Orte, die mir damals Wärme und Freude bescherten. Oft waren wir finanziell am Limit, und Haferflocken waren häufig auf dem Speiseplan. Selbst heute sind Haferflocken ein Teil meines kleinen Glücks aus der Kindheit.

Fazit: In deiner Kindheit gab es Zeiten der Unbeschwertheit und des Glücks (hoffe ich von Herzen). Indem du dir hin und wieder einen besonderen Moment aus der Kindheit ins Hier und Jetzt holst, erinnert sich dein limbisches System an diese Phase und verknüpft damit positive Gefühle. Mehr zum limbischen System, insbesondere zum Thema Düfte, findest du unter folgendem Link: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/der-geruchssinn-und-die-erinnerungen-das-passiert-in-unserem-kopf/ . Diese wohltuenden Routinen aus der Kindheit können auch in weniger harten Zeiten hilfreich sein. Sie schaffen eine innere Haltung, die auf Glück ausgerichtet ist. Wenn schwierige Zeiten kommen, musst du nicht explizit nach Glück suchen – die kleinen Helfer sind bereits zur Stelle und bieten dir einen sicheren Platz zum Anlehnen.

Hast du noch weitere Ideen, oder Anregungen? Schreibe sie gerne in die Kommentare, oder schick mir eine E-Mail.

Ich hoffe, meine persönliche Glücksroutine inspiriert dich, selbst Quellen für leichtere Momente zu entdecken. Weitere „Glücksbringer“ für mich sind:

Ätherische Öle, Symbolische Gegenstände, Meditationskarten, Warmes Bad, Kinderlachen, Farben, Bewegung/Tanz, Umarmungen von Lieblingsmenschen.

Ich wünsche dir, ob die Zeiten hart oder leicht sind, Momente des Glücks!

Deine Coralie Melissa

Ein Me-Time Samstag

Heute hatte ich seit langem mal wieder einen Tag für mich allein. Die Kinder waren bei ihrem Vater. Nachdem die Stille in meine Wohnung eingekehrt war, saß ich für einen Moment regungslos auf dem Sofa und starrte an die Decke mit dem Wandteppich. In meinen Gedanken zeichnete ich das abgebildete Muster nach, während im Hintergrund das Ticken der Uhr mich daran erinnerte, dass meine Zeit der “Selbstbestimmung” begrenzt war. Ich hatte mir einiges vorgenommen und träumte schon seit Tagen davon, mich auf der Couch auszubreiten, die Füße hochzulegen und mich einem Netflix-Marathon hinzugeben. Ich freute mich auf Spa-Momente in den eigenen vier Wänden und das Eintauchen in Bücher. Aber für einen Moment blieb ich in einer Starre, hin- und hergerissen, womit ich anfangen sollte.

Plötzlich war es 11 Uhr, und ich trug immer noch die Seidenkappe auf meinem Kopf, die meine Haare nachts schützt. Meine Schlafhose hatte ein paar Flecken vom schnellen Kaffee bekommen, den ich mir ein paar Minuten zuvor gegönnt hatte. Mein Blick wanderte zum Wäscheberg im Badezimmer. Dann dachte ich, dass ich das auch erledigen könnte, wenn ich schnell eine Maschine laufen ließe. Im Schmuddel-Look schlich ich mich in die Waschküche, hoffend, dass ich nicht entdeckt würde. Es war fast Mittag, und ich war immer noch nicht angezogen! Irgendwie schämte ich mich dafür. Ich hatte noch nicht gegessen, und die Lust zum Kochen fehlte. Ich schob mir ein Brot zwischen die Zähne.

Doch ich schaffte es nicht bis zur Couch. Überall lagen Krümel herum, auf dem Tisch lag eine Barbie, das Bett war noch nicht gemacht. Ich räumte auf. Es war schon halb eins. Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten. Während des Aufräumens wurde Staub auf den Möbeln sichtbar. Fussel und Haare erschienen im Licht der Sonnenstrahlen, die wie Scheinwerfer auf sie herabschienen. Ich holte Waschlappen und Putzmittel, um der Staubschicht den Kampf anzusagen. Es wurde drei Uhr, als ich fertig wurde. Plötzlich fiel mir ein, dass der Kühlschrank leer war. Die Geschäfte würden in zwei Stunden schließen. Ich hüpfte unter die Dusche und zog los in die Stadt.

Ganz stolz spazierte ich in meinen neuen Schuhen durch die Straßen. Das sollen ab jetzt meine Me-Time-Schuhe sein. Ein bisschen mit Absatz und schick, schließlich war ich weder auf dem Weg zu einem Termin noch zum Spielplatz, zum Lernen und Arbeiten, zum Arzt oder in den Spielwarenladen oder sonst wohin. Nur zum Einkaufen an meinem Me-Tag. Deshalb hatten die Turnschuhe Urlaub. Nach ein paar Metern schmerzten meine Füße. Eine blutende Wunde hatte sich an den Fersen gebildet. Ich versuchte, den Schmerz runterzuschlucken, und steuerte in die nächste Apotheke. Die Apothekerin verarztete mich und schenkte mir dabei ein mitleidiges Lächeln. „Aber schön sind sie, die Schuhe!“, sagte sie.

Auf dem Heimweg versagte mein Trolley. Er fiel auseinander – ich hatte wohl zu viel hineingepackt. Ich improvisierte und schaffte es nur knapp nach Hause mit ihm. Dann versuchte ich, ihn mit Klebeband zu flicken. Es wurde fünf Uhr. Mir fiel ein, dass die Wäsche in der Maschine noch aufgehängt werden musste. Es wurde sechs Uhr. Mir blieb noch eine Stunde, bis die Kinder wieder zurückkamen. Wehmütig schaute ich rüber zum Fernseher und nickte ihm schweigend zu, wie einem alten Freund, den man nicht vergessen hat, aber für ein gemeinsames Treffen war die Zeit noch nicht reif. Langsam musste ich mit dem Kochen beginnen, wenn ich rechtzeitig fertig werden wollte, dachte ich. Und während ich Kartoffeln, Karotten und Lauch unter Messerschärfe halbierte, fiel mein Blick auf den Flyer für die Anmeldung der Ferienbetreuung. Es wurde halb sieben. Das Essen kochte, und ich erledigte in der Zwischenzeit die Anmeldung. Ich spürte die Nervosität in mir. Der Me-Time-Tag würde bald zu Ende sein – ich hatte noch nicht gefaulenzt. Das Essen war fertig gekocht, es war fünf vor sieben. Der Vater der Kinder rief an. “Wir sind gleich da”, sagte er. “Ich muss noch schnell etwas erledigen”, antwortete ich. Gib mir noch 10 Minuten!

Ich schnappte mir mein Handy und spielte mein Lieblingslied ab, das schon seit Monaten dasselbe war. In voller Lautstärke sang ich zum Lied aus der Wonderboom mit und beantwortete währenddessen noch zwei Nachrichten auf dem Handy. Das Lied endete, aber die Kinder waren noch nicht da. Im Schlafzimmer lag mein angefangenes Buch. Schnell sog ich alle Wörter auf, die ich einfangen konnte, bis es an der Tür klingelte. Doch bevor ich öffnete, klatschte ich mir eine Tuchmaske ins Gesicht. Im Treppenhaus machte ich zehn Sit-ups, denn schließlich hatte ich mir an meinem Me-Time-Tag auch noch Sport vorgenommen.

“Hi Mama!” Die Kinder stürmten an mir vorbei. “Du siehst komisch aus mit der Maske im Gesicht”, sagten sie. Sie hatten Erde an den Schuhen und schleppten sie in die frisch geputzte Wohnung. Eine Stunde später lagen Barbie, Krümel und Staub wieder an ihrem gewohnten Platz.

Diese Me-Time-Tage sind ein echter Luxus. Im Vergleich zu anderen Menschen auf dieser Welt, bin ich privilegiert, kann ich dieses Wort „Me-Time“ überhaupt in den Mund nehmen. Manchmal, da möchte ich meinen Kopf ausschalten, nichts denken nur jede Zelle meines Körpers entspannen. Aber am Schluss steht dann meistens doch alles andere an, als zu Faulenzen. Kennst du diese Tage auch? Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen und Tipps in die Kommentare schreibst.

Deine Coralie Melissa

Bye bye 2023

Es ist ein grauer, nebliger Tag. Und irgendwie scheint mir, dass alle ausgeflogen sind. Die Strassen sind leer, die Stimmen der Nachbarswohnungen verstummt. Als würden alle noch versuchen, das Beste aus den letzten Stunden des Jahres herauszuholen. So sind sie alle in die Berge gefahren, oder sonst an einen Ort, an dem das alte Jahr gebührend verabschiedet werden kann. Nur wir nicht. Wir sind da und sitzen im Nebel. Und ich fühl mich wohl dabei. Denn Nebel passt irgendwie gerade. Ab morgen beginnt ein neues Kapitel. Das Blatt wendet sich. Oder nicht?

Wenn ich auf dieses Jahr zurückblicke, empfinde ich einen Cocktail an Gefühlen. Es gab einige erste Male in meinem persönlichen 2023. Das erste Mal habe ich Bücher veröffentlicht. Besonders, als ich mich mit dem Buch „Die Mamalution“ einem wichtigen Thema angenähert habe, war dies mein persönliches Highlight! Zum ersten Mal habe ich mich ausserdem einem familiären Thema gewidmet, welchem ich bisher aus dem Weg gegangen bin, weil aufwühlend und so. Aber es war befreiend. Ich kann nur empfehlen, sich ab und an unangenehmen Themen zu widmen.

Ich durfte dieses Jahr auch viel Liebe erfahren, und innerer Schönheit von Menschen begegnen. Ich lernte Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann und Dinge zu verändern, die ich nicht akzeptieren will.

Und dann lernte ich mich zu fürchten. Davor, dass die Welt eben nicht jedes Jahr neu beginnt, sondern alte Themen in jedes neue Jahr weitergetragen werden. Ich fürchte mich vor der Erkenntnis, dass Nächstenliebe und Solidarität mit einem Schlag verpuffen können und am Ende jeder seinen eigenen Interessen nachgeht. Komme was wolle. By the way, fürchten ist ok.

Dann lernte ich aber auch zu vertrauen. Darauf, dass in den grausamsten Ereignissen, immer eine Blume wächst. Sei es nur ein tiefes Mitgefühl für jemanden, oder die Hoffnung auf ungeahnte Möglichkeiten, die jede Situation bieten kann.

Stärke, Mut, Wachstum und alles was uns Menschen weiterbringt, entstehen aus den schwierigen Momenten im Leben. Wie Muskeln, die nur wachsen, wenn sie zuerst schmerzen. So habe ich einige schwierige Momente erlebt, aber ich bin durch sie gewachsen und ich habe mich verändert.

Das Einzige, was sicher ist im Leben, ist die Veränderung. Wir sollten ihr mit offenen Armen begegnen, denn sie wird so oder so eintreten. Ob wir wollen oder nicht.

So wird auch das neue Jahr alte Themen mit sich bringen, die verändert werden wollen.

Ich wünsche dir, dass du im neuen Jahr mutig bist dich deinen Lebensthemen zu widmen, und dass du deinen persönlichen Träumen einen Schritt näher kommen wirst. Du sollst aber auch liebevoll zu dir sein, denn du bist unglaublich wichtig für diese Welt.

Die Welt mag beängstigend sein mit den Kriegen, mit den steigenden Lebenskosten, mit den immer grösseren Erwartungen an die Gesellschaft. Mich persönlich macht sie momentan traurig und etwas hoffnungslos. Auch das ist ok. Manchmal braucht es die Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit um sich wieder neu zu finden. Manchmal muss man diese Gefühle auch einfach aushalten können, denn nichts bleibt immer so, wie es ist.

Alles was geschieht kann auch eine Chance sein. Wir sollten uns immer wieder daran erinnern. So möchte ich mich mit diesen letzten Worten in diesem Jahr bei allen bedanken die mich begleitet haben, und freue mich auf die Zeit, die mit ihren Höhen und Tiefen auf uns alle zukommt. Lasst uns zusammen ein neues Kapitel beginnen! Und wer weiss, vielleicht gibts ja zur Abwechslung mal ein weltliches Happy End!

Eure Coralie