Sprachlose Begegnungen, wie leuchtende Blumen im Nebel

Ich glaube, ich bin sprachlos. Seit Tagen beginne ich immer wieder neue Blogbeiträge, feile an Texten, die ich dann nach ein paar Mal durchlesen wieder lösche. Sie erscheinen mir in einem Moment sehr wichtig zu sein und im nächsten Moment verflüchtigt sich jeglicher Sinn hinter meinen Zeilen. Zuerst begann ich mit einem Text über meine Begegnung im Krankenhaus letzten Dezember. Ich erzählte, wie ich in meinem verletzlichsten Moment eine berührende Begegnung hatte. Wie sich meine Zimmernachbarin und ich die ganze Nacht unterhielten und uns gegenseitig wahrhaftig zuhörten. Ich lauschte ihrer Geschichte und fühlte mit ihr ihren Verlust. Ich schrieb darüber, wie sich unsere Freundschaft über unsere gemeinsame Erfahrung im Spital hinaus weiterentwickelt hat und es für mich in Zeiten wie diesen, in denen tiefe Verbindungen durch die sozialen Medien vom Aussterben bedroht sind, ein Geschenk war, sie kennenzulernen

Ich möchte darüber berichten, wie nährend ein tiefgründiger Austausch sein kann und wie wichtig es ist, Mitgefühl zu kultivieren. Mir scheint, als ob auf der Autobahn des Lebens die Räder immer schneller drehen und ihre Überhitzung nur noch eine lästige Randnotiz in den Köpfen der Fahrenden geworden ist. Sie ignorieren dabei getrost, dass Unachtsamkeit früher oder später zu einem gewaltigen Crash führen wird.

Ich wollte auch darüber sprechen, wie sehr mich die Ungleichheit frustriert, die ich, obwohl ich in einem privilegierten Land lebe, immer wieder zu spüren bekomme. Es gibt nach wie vor Unterschiede in der Hautfarbe, im Namen, im kulturellen Hintergrund, im sozialen Status, im Geschlecht und in den Voraussetzungen. Nein, die Bedingungen sind nicht für alle gleich. Ich möchte nicht mehr müde sein deswegen, weil es das Unausgesprochene, Subtile ist, was erschöpft, aber ich bin es immer wieder.

Vielleicht sollte ich keine tiefgründigen Bücher mehr lesen und mich von den eindrücklichen Bildern abgrenzen, die ich durch die wahren Geschichten und Schicksale einzelner Mitmenschen unweigerlich aufnehme. Vielleicht wäre es besser, meinen Kopf nicht darüber zu zerbrechen, wie herzlos die Mächtigen der Welt sind und wie gleichgültig die Wohlstandsgesellschaft damit umgeht. Denn ich habe genug zu tun mit den alltäglichen Fluten an Anforderungen, denen wir alle gerecht zu werden versuchen. Vielleicht täte ich gut daran, mich zurückzulehnen und als stille Beobachterin dem Spektakel zuzuschauen. Hinzunehmen, dass einfache Dinge, die für die einen selbstverständlich sind, für die anderen ein immenser Kraftakt bedeuten. Vielleicht… vielleicht sind Burnouts, ganz gleich ob durch Elternschaft, Arbeit oder Weltschmerz verursacht, nur eine neue Form von Grippe.

Aber dann meldet sich mein Herz zu Wort, das schwer wird bei jedem Femizid, bei Verletzungen der Menschenrechte, bei Ausbeutung und Gier, bei Krieg und Unterdrückung. Mein Herz kribbelt, wenn die endlose To-do-Liste nie kleiner wird. Mir schnürt es den Magen zu, wenn die Kinder schon in den Strömungen des Lebens schwimmen. Kleine Gestenbringer, Träumende, Kunstschaffende, Mitfühlende, berühren mich stärker als je zuvor, als wären sie leuchtende Blumen in einer vernebelten Landschaft. Dann möchte ich über sie schreiben, wie kräftig ihre Farben hervorstechen, wenn die Umgebung so trüb wirkt. Wie hell und zentral sie erscheinen.

Ich möchte all dies zusammenfassen, einen Abschluss finden, eine Moral der Geschichte herauskitzeln. Doch es sind zu viele Sätze, die ich nicht zusammenfügen kann. So merke ich, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll, dass die verschiedenen Texte keinen Zusammenhang haben.

Vielleicht könnte ich einfach darüber schreiben, dass es okay ist, keine Worte zu haben, dass sich das Chaos erst ordnen muss. Dass es nicht immer vorwärtsgehen muss, sondern okay ist, stehenzubleiben. Dass ich es vielleicht einfach aushalten muss, sprachlos zu sein, bis die Sprache den Weg zurückgefunden hat.

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