Die Zeit, als ich noch über meine riesige Kugel streichelte und mich fragte, wer sich unter der runden Bauchdecke zum kleinen Menschen entwickelt, scheint mir so nah und doch, als hätte sie in einem anderen Leben stattgefunden. Sie formte mich, zeichnete Narben, dehnte meinen Horizont und mein Widerstand. Zur gleichen Zeit machte sie mich demütig, nachdenklich, besorgt, durchflutet von Liebe und zeigte mir auf, wie ich mich immer wieder aufs Neue verabschieden muss von den Phasen der Entwicklung, die meine Kinder durchlaufen.
Es war vor ein paar Tagen, als ich mich in der Aula der Oberstufe befand, die mein Ältester nächstes Jahr besuchen wird. Ich sah all die Eltern wieder, mit denen ich gefühlt erst gestern noch auf die stolzen Kindergarten-Kinder wartete, wenn sie mittags aus der Schule kamen. Plötzlich sind die Jahre vergangen, die Babygesichter bekamen jugendliche Züge, bei den Eltern schimmert das eine oder andere silberne Haar hervor. Die aufgedrehten Kinder, die einst mit bunten Zeichnungen nach Hause kamen und ihre übergrossen Rucksäcke mitsamt Leuchtgurte durch die Strassen trugen, haben all dies gegen eine Flut an Hausaufgaben und zunehmenden Verpflichtungen eingetauscht.
„Es wird anstrengend“, unterstreicht die zukünftige Schulleiterin und sieht die Eltern eindringlich an. Ein beklemmendes Gefühl beschleicht mich bei dem Gedanken an mein Kind, das nach der Schule oft kaum noch die Energie hat, mit Freunden zu spielen, und seinen überlasteten Geist am liebsten nur noch in Videospielen entspannen lässt. Dort ist kein großes Denken oder Leisten erforderlich. Dort kann es sich erholen und wird mit Dopamin belohnt.
Ich frage mich immer häufiger, ob das wirklich nötig ist. Muss es sein, dass der wachsende Leistungsdruck die Freude der Kinder immer weiter dämpft? Manchmal fühlt es sich wie eine Bestrafung an, als würde man den Kindern beibringen, dass zu viel Freude und Eigenwilligkeit schlecht sind. Als ob man nur im Hamsterrad überleben kann. Ich möchte meine Kinder vor Enttäuschungen schützen und ihre kindliche Neugier konservieren. Es ist herzzerreißend, zu sehen, wie ihr Strahlen im Schulalltag langsam verblasst. Ich glaube nicht, dass Schule eine Strafe sein sollte. Sie sollte nicht so empfunden werden, und man sollte nicht für etwas getadelt werden, das noch gar nicht passiert ist.
Es scheint, als ginge es den Schulleitungen um einen Wettbewerb, wer die klügsten Köpfe hervorbringt. Dabei wird übersehen, dass diese Köpfe mit ihrer Einzigartigkeit und ihrem eigenen Lerntempo bereits klug genug sind. Sie werden beurteilt, gemustert und angepasst.
Man sucht zwar nach Lösungen, um den Anforderungen der Kinder gerecht zu werden, und sicherlich waren die Zeiten früher auch nicht besser. Dennoch tritt das Schulsystem trotz des heutigen pädagogischen Kenntnisstands auf der Stelle und dreht sich im Kreis. Es ist längst bewiesen, dass Kinder täglich höchstens zwanzig Minuten Konzentration für neuen Lernstoff aufbringen können, doch die Unterrichtszeiten beginnen immer früher und die Nachmittage werden länger. Müde schubse ich morgens meine Kinder aus dem Bett und nachmittags entbrennt im Erschöpfungszustand durch endlose Verpflichtungen der Streit um die Hausaufgaben.
Die Stimmen um mich sind laut: Eltern sind verzweifelt wegen der Depressionen ihrer schulpflichtigen Kinder und suchen ständig nach Wegen, ihnen zu helfen. Eine Liste von Diagnosen, die von Fachärzten gestellt wird, soll Erleichterung bringen, endet aber oft in neuem Frust, wenn die individuellen Bedürfnisse der Kinder ignoriert werden. Es ist, als würden wir alle gegen verschlossene Türen schlagen, hinter denen jemand sitzt, der die Macht hätte, alles zu ändern. Jedes Schlagen an die Tür ist ein mühevoller Akt, der stattdessen in Lebensqualität investiert werden könnte.
Es muss aufhören. Es ist Zeit. Es muss weniger werden. Weniger Druck gemacht, weniger Anforderungen gestellt, weniger Leistung erwartet, dafür mehr Leben gelebt, mehr Miteinander kultiviert, mehr Füreinander gefördert und das Feuer der Anfänge wieder gezündet werden.