„I have never tried that before, so i think i should definitely be able to do that“ – Pipi Langstrumpf
Kinder tun tagtäglich etwas, was wir Erwachsenen möglichst zu vermeiden versuchen: scheitern, versagen, vermasseln. An diesem Wort haftet ein negativer Beigeschmack – obwohl es ein Leben ohne das Scheitern gar nicht gibt.
Alles, was wir in der Kindheit gelernt haben, war oft mit Hinfallen, Weinen, Schamgefühl, Scheitern und Fehlern verbunden. Doch gerade so haben wir die erstaunlichsten Dinge gelernt – ganz automatisch und spielerisch. Daher frage ich mich, wann die Bereitschaft, Neues zu lernen, bei vielen von uns verloren gegangen ist. Ab welchem Zeitpunkt wurde es so schwierig, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und einfach von vorne anzufangen?
Kinder lernen den ganzen Tag. Sie stellen Fragen, stechen mutig in unbekannte Gewässer, haben von einigem keine Ahnung und das ist den meisten bis zu einem gewissen Alter eigentlich auch ziemlich egal. Doch irgendwann scheint es, als hätten wir beschlossen, dass wir hoffnungslose Fälle sind, dass Unwissenheit peinlich ist und dass es eine Blamage ist, zuzugeben, dass wir fehlbar sind und weit davon entfernt, allwissend und allmächtig zu sein. Diese vermeintliche Perfektion unseres Erwachsenenbildes führt dazu, dass wir uns in einem ewigen Kampf um ein makelloses Selbstbild befinden. Die Konsequenzen zeichnen sich im Laufe der Zeit durch eine seelische Verkümmerung ab. Dabei könnten wir es wie Kinder handhaben und täglich Neues lernen – ist dieses Neue noch so unbedeutend. Mit einem offenen Geist könnten wir durchs Leben gehen, uns damit abfinden, manchmal etwas nicht zu wissen oder zu können – selbst in Bereichen, in denen wir uns normalerweise sicher fühlen.
Vor einigen Jahren entschied ich mich für eine Lebensweise des Lernens, weil ich die Früchte erkannte, die ich dadurch ernte. Durch meine Rolle als Mutter finde ich es nicht so schwierig, diesen Vorsatz zu halten, da ich noch nie zuvor Mutter war und somit gezwungen bin, mich automatisch jeden Tag dieser Herausforderung zu stellen. Als Mutter erlebe ich oft Déjà-Vus, aber aus einer neuen Perspektive. Plötzlich bin ich die Erwachsene, die ich als Kind beobachtet habe, und sehe die Welt mit anderen Augen. Es ist ein bisschen so, als würde ich eine alte Geschichte neu schreiben, nur, dass ich diesmal eine der Hauptfiguren bin. Trotz meiner enthusiastischen Vorsätze des ewigen Lernens, beobachte ich meine Zurückhaltung dennoch in gewissen Situationen. „Das kann ich sowieso nicht“, oder „das ist viel zu kompliziert für mich, das werde ich wohl nie verstehen.“ Aber wer sagt das eigentlich? Könnte es nicht vielleicht sein, dass ich vieles verstehen lernen kann, wenn ich mich der Herausforderung stelle, kläglich dabei zu versagen? Und dass dieses Versagen, wenn es denn einträfe, völlig ok wäre?
Denn eigentlich ist es nur die Angst, was andere von einem denken könnten, dass wir das Scheitern vermeiden. Gäbe es niemand der uns beobachten könnte, wäre es egal, ob wir Fehler machen bei Dingen, die wir noch nicht können. Ich glaube wir alle sollten öfter den Mut aufbringen, auch mal schlecht zu sein in etwas. Nicht immer erst das perfekte Resultat zu präsentieren, sondern auch mal ins kalte Wasser zu springen und die inneren Alarmglocken getrost zu ignorieren.
Lernen ist gesund und stärkt die mentale Gesundheit
Der Lernbereitschaft wird zudem noch eine weitere positive Note verliehen- es ist gesund den Geist zu füttern. Es mag anstrengend sein sich mit etwas zu beschäftigen, was in erster Linie nicht leicht von der Hand fällt oder einem wie eine Fremdsprache erscheint. Aber wie bei allem im Leben, sind es die vielen kleinen Blöcke, die am Ende das ganze Haus bauen. Bei jedem Meilenstein werden verschiedene Hormone ausgeschüttet wie Dopamin, Serotonin und Endorphine, die Wohlbefinden und Glücksgefühle auslösen können. Den Horizont zu erweitern, in Themen einzutauchen, die einem fremd sind, tut demnach nicht nur einem selbst gut, sondern fördert auch das Verständnis anderen Menschen gegenüber.
Ich glaube, wir sind nicht dazu gemacht, alles richtig zu machen und alles zu verstehen, sondern nur, es überhaupt zu versuchen. Wenn die Dinge, die wir erlernen, irgendwann zu einem Erfolg führen – und Erfolg wird individuell verstanden – kann dies eine angenehme Begleiterscheinung unserer Mühen sein. Doch am Ende ist es egal, wohin uns das Anlegen an fremde Ufer führt. Sicher ist nur, dass es unseren Horizont erweitert. Und das ist es allemal wert.
Was möchtest du noch lernen, worin du womöglich kläglich scheitern wirst?
Danke für diesen Reminder! Ich will Autofahren lernen und habe Angst zu versagen.