Ein Me-Time Samstag

Heute hatte ich seit langem mal wieder einen Tag für mich allein. Die Kinder waren bei ihrem Vater. Nachdem die Stille in meine Wohnung eingekehrt war, saß ich für einen Moment regungslos auf dem Sofa und starrte an die Decke mit dem Wandteppich. In meinen Gedanken zeichnete ich das abgebildete Muster nach, während im Hintergrund das Ticken der Uhr mich daran erinnerte, dass meine Zeit der “Selbstbestimmung” begrenzt war. Ich hatte mir einiges vorgenommen und träumte schon seit Tagen davon, mich auf der Couch auszubreiten, die Füße hochzulegen und mich einem Netflix-Marathon hinzugeben. Ich freute mich auf Spa-Momente in den eigenen vier Wänden und das Eintauchen in Bücher. Aber für einen Moment blieb ich in einer Starre, hin- und hergerissen, womit ich anfangen sollte.

Plötzlich war es 11 Uhr, und ich trug immer noch die Seidenkappe auf meinem Kopf, die meine Haare nachts schützt. Meine Schlafhose hatte ein paar Flecken vom schnellen Kaffee bekommen, den ich mir ein paar Minuten zuvor gegönnt hatte. Mein Blick wanderte zum Wäscheberg im Badezimmer. Dann dachte ich, dass ich das auch erledigen könnte, wenn ich schnell eine Maschine laufen ließe. Im Schmuddel-Look schlich ich mich in die Waschküche, hoffend, dass ich nicht entdeckt würde. Es war fast Mittag, und ich war immer noch nicht angezogen! Irgendwie schämte ich mich dafür. Ich hatte noch nicht gegessen, und die Lust zum Kochen fehlte. Ich schob mir ein Brot zwischen die Zähne.

Doch ich schaffte es nicht bis zur Couch. Überall lagen Krümel herum, auf dem Tisch lag eine Barbie, das Bett war noch nicht gemacht. Ich räumte auf. Es war schon halb eins. Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten. Während des Aufräumens wurde Staub auf den Möbeln sichtbar. Fussel und Haare erschienen im Licht der Sonnenstrahlen, die wie Scheinwerfer auf sie herabschienen. Ich holte Waschlappen und Putzmittel, um der Staubschicht den Kampf anzusagen. Es wurde drei Uhr, als ich fertig wurde. Plötzlich fiel mir ein, dass der Kühlschrank leer war. Die Geschäfte würden in zwei Stunden schließen. Ich hüpfte unter die Dusche und zog los in die Stadt.

Ganz stolz spazierte ich in meinen neuen Schuhen durch die Straßen. Das sollen ab jetzt meine Me-Time-Schuhe sein. Ein bisschen mit Absatz und schick, schließlich war ich weder auf dem Weg zu einem Termin noch zum Spielplatz, zum Lernen und Arbeiten, zum Arzt oder in den Spielwarenladen oder sonst wohin. Nur zum Einkaufen an meinem Me-Tag. Deshalb hatten die Turnschuhe Urlaub. Nach ein paar Metern schmerzten meine Füße. Eine blutende Wunde hatte sich an den Fersen gebildet. Ich versuchte, den Schmerz runterzuschlucken, und steuerte in die nächste Apotheke. Die Apothekerin verarztete mich und schenkte mir dabei ein mitleidiges Lächeln. „Aber schön sind sie, die Schuhe!“, sagte sie.

Auf dem Heimweg versagte mein Trolley. Er fiel auseinander – ich hatte wohl zu viel hineingepackt. Ich improvisierte und schaffte es nur knapp nach Hause mit ihm. Dann versuchte ich, ihn mit Klebeband zu flicken. Es wurde fünf Uhr. Mir fiel ein, dass die Wäsche in der Maschine noch aufgehängt werden musste. Es wurde sechs Uhr. Mir blieb noch eine Stunde, bis die Kinder wieder zurückkamen. Wehmütig schaute ich rüber zum Fernseher und nickte ihm schweigend zu, wie einem alten Freund, den man nicht vergessen hat, aber für ein gemeinsames Treffen war die Zeit noch nicht reif. Langsam musste ich mit dem Kochen beginnen, wenn ich rechtzeitig fertig werden wollte, dachte ich. Und während ich Kartoffeln, Karotten und Lauch unter Messerschärfe halbierte, fiel mein Blick auf den Flyer für die Anmeldung der Ferienbetreuung. Es wurde halb sieben. Das Essen kochte, und ich erledigte in der Zwischenzeit die Anmeldung. Ich spürte die Nervosität in mir. Der Me-Time-Tag würde bald zu Ende sein – ich hatte noch nicht gefaulenzt. Das Essen war fertig gekocht, es war fünf vor sieben. Der Vater der Kinder rief an. “Wir sind gleich da”, sagte er. “Ich muss noch schnell etwas erledigen”, antwortete ich. Gib mir noch 10 Minuten!

Ich schnappte mir mein Handy und spielte mein Lieblingslied ab, das schon seit Monaten dasselbe war. In voller Lautstärke sang ich zum Lied aus der Wonderboom mit und beantwortete währenddessen noch zwei Nachrichten auf dem Handy. Das Lied endete, aber die Kinder waren noch nicht da. Im Schlafzimmer lag mein angefangenes Buch. Schnell sog ich alle Wörter auf, die ich einfangen konnte, bis es an der Tür klingelte. Doch bevor ich öffnete, klatschte ich mir eine Tuchmaske ins Gesicht. Im Treppenhaus machte ich zehn Sit-ups, denn schließlich hatte ich mir an meinem Me-Time-Tag auch noch Sport vorgenommen.

“Hi Mama!” Die Kinder stürmten an mir vorbei. “Du siehst komisch aus mit der Maske im Gesicht”, sagten sie. Sie hatten Erde an den Schuhen und schleppten sie in die frisch geputzte Wohnung. Eine Stunde später lagen Barbie, Krümel und Staub wieder an ihrem gewohnten Platz.

Diese Me-Time-Tage sind ein echter Luxus. Im Vergleich zu anderen Menschen auf dieser Welt, bin ich privilegiert, kann ich dieses Wort „Me-Time“ überhaupt in den Mund nehmen. Manchmal, da möchte ich meinen Kopf ausschalten, nichts denken nur jede Zelle meines Körpers entspannen. Aber am Schluss steht dann meistens doch alles andere an, als zu Faulenzen. Kennst du diese Tage auch? Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen und Tipps in die Kommentare schreibst.

Deine Coralie Melissa

Ein Gedanke zu „Ein Me-Time Samstag“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert